Andrea Roedig

"Ich ist ein anderer" - der Satz Arthur Rimbauds begleitet wie kein zweiter die Debatten über das Subjekt in der Moderne. In den Fotografien Bettina Hoffmanns kommt er als Alltäglichkeit, fast als Nebensache daher. Zwei Frauen auf einem Bett, wie nach einem Streit. Drei Frauen in einer Küche, in angespannter, fordernder Atmosphäre. Erst beim genaueren Hinsehen erschließt sich, dass die Personen im Bild identisch sind. Bettina Hoffmann montiert Selbstportraits zu realistischen Szenen oder andersherum: Sie faltet sich auseinander in eine Szenerie verschiedenster, wohl kalkulierter Rollen.

"Ich ist ein anderer" - der Satz hat nichts von seinem Schrecken verloren. Eine seltsame Mischung aus Intimität und Fremdheit durchzieht Hoffmanns Foto-Szenarien. Es sind Familienarrangements. Die dargestellten Frauen kennen sich, wie Schwestern, so gut, dass es keiner Worte mehr bedarf. Ihre enorme Spannung erzeugen die Bilder durch das Machtgefälle zwischen den Personen und die Uneindeutigkeit der Szene, den Aufschub. Der Blick der Frauen auf der Sofasitzecke ist auf die Figur am linken Bildrand gerichtet, die, verletzlich, gerade etwas gesagt haben muss. Ihre Doubles reagieren verschieden, zwei wehren ab, zurückgelehnt mit angezogenen Knien, die dritte vornübergebeugt und zugewandt, blickt nachdenklich. Das ist kein Schnappschuss auf einer Party. Die Figuren besetzen genau austarierte Positionen im sozialen Arrangement. Gleichzeitig wirken die Bilder wie ein in der Bewegung angehaltener Film, sie deuten auf ein Geschehen, ein Ereignis, das die Szene beherrscht und doch außerhalb des Bildes liegt.

Bettina Hoffmann arbeitet mit Ambivalenz, mit dem Konflikt zwischen Nähe und Distanz, Identität und Fremdheit, Bewegung und Stillstand. So auch in der Technik: Die per Computer bearbeiteten Bilder haben die Qualität von Orginalfotos - sie wirken realistisch und bleiben gleichzeitig synthetisch und abstrakt.

"Die Photographie vernichtet den Menschen, indem sie ihn abbildet", meinte einst Siegfried Krakauer - "nicht der Mensch tritt in seiner Photographie heraus, sondern die Summe dessen, was von ihm abzuziehen ist." Ganz am Rande zeigen die Collagen Hoffmanns auch, wie die Photographie, das Medium der Ähnlichkeit und Reproduktion, unsere Vorstellung von personaler Identität verändern kann.